Mittwoch, 10. April 2013

Ist es gerechtfertigt, gegen Menschen zu demonstrieren?

Ein Beispiel. Die Sozialistische Jugend geht alljährlich gegen Herrn Strache demonstrieren. Manche Kommentatoren demaskieren dies als bloßen Populismus. Ich gehe einen Schritt weiter. Gegen Menschen zu demonstrieren ist eine Form der Radikalisierung. Es ist unter der Oberfläche ein Aufruf zu mehr. Eine Tatsache, die allerdings niemand offen auszusprechen wagt.

Der Rechtsradikale kennt angeblich die letzte Konsequenz

Wenn man gegen Menschen demonstriert, muss die Frage in letzter Konsequenz sein, welche Lösungen man anzuwenden gedenkt, sofern man die Macht dazu bekäme. Der Rechtsradikale hat laut allgemeiner Diktion hier angeblich kein Problem, eine Antwort zu geben. Demonstriert die NPD oder sonstige als gewaltbereit gebrandmarkte Herrschaften, ist den Medienkommentatoren klar: Kommen sie an die Macht, werden die Lager wieder aufgesperrt, um Andersdenkende aus der Gesellschaft zu entfernen. Vielleicht ein wenig deportieren, vielleicht ein wenig Massenmord. Was eben notwendig ist, um die Gesellschaft auf den eigenen Kurs zu bringen, um sie zu "säubern". Der Rechtsradikale hätte somit auch kein Problem damit, gegen Menschen zu demonstrieren. Gegen Ausländer, Linke, Homosexuelle... und was sonst noch so auf dem Tagesprogramm steht. Betrachtet man die Realität, lässt sich dieses durch die Medien transportierte Bild allerdings selten bis nie nachweisen.

Was aber glaubt der "Linke"?

Der angeblich Linke geht ebenso gerne auf die Straße, um laut Parolen zu brüllen und gegen etwas zu sein. Nehmen wir an, der Grund dafür wäre nicht nur das gruppendynamische Vernichten von Bierdosen und Joints, sondern tatsächlich die "Gegnerschaft" zu einer Person oder Menschengruppe. Was soll also mit diesen Menschen geschehen, wenn die extremere Linke aufgrund einer demokratischen oder anderen Machtverteilung in der Lage wäre, hier Tatsachen zu schaffen? Hier ist der Punkt, wo die befragten Menschen ins Stammeln kommen. Lautet die (glücklich moderate) Antwort "beobachten und bei Straffälligkeit rechtsstaatlich verurteilen", ist dies zwar nicht verwerflich, es entspricht aber weitgehend ohnehin den Regeln des geltenden Rechtsstaates. Diese Menschen demonstrieren also ohne Ziel. Andere hingegen stottern, weil sie die tatsächliche letzte Konsequenz kennen, aber nicht aussprechen wollen.

Im internationalen Vergleich

Sehen wir im Vergleich auf einige Staaten, wo es - auch in Folge langjähriger Medienberichterstattung - durchaus gerechtfertigt erschien, wenn Menschen gegen eine Person demonstrieren. Baschar-al-Assad wäre ein brutaler Alleinherrscher Syriens. Grund der Demonstrationen wäre der Wunsch zu einem Umsturz gewesen. Klares Ziel der Demonstrierenden und einer großen Lobby war und ist es bis heute, Assad zu töten, wenn ihm nicht die Flucht gelingt. Hauptsache er ist weg - so oder so. Nicht anders wurde mit Saddam Hussein oder Muammar-al-Gaddafi verfahren, ungeachtet dessen, ob die Vorwürfe der Medien, Demonstranten oder bewaffneten Rebellen in der Realität verifizierbar sind.

Überall dort ist aber ein wichtiger Unterschied zu benennen. Man demonstriert nur deshalb gegen eine Person und nicht gegen eine Ideologie, weil diese Person die Ideologie bestimmt. Weil alle Macht auf dieser Person konzentriert ist und von dieser ausgeübt wird. Und weil die Person reale Macht hat und diese in der Regel nicht für das Gemeinwohl ausübt sondern sich - so meinen zumindest die Gegner - gegen das eigene Volk richtet.

Was ist das Ziel?

Warum aber demonstriert man gegen die Person Strache? Hat er Macht? Hat er Ideologie? Gut, bei der FPÖ wäre es schwer, gegen eine Ideologie zu demonstrieren, eine solche ist für den Suchenden in klar formulierter Form schwer auffindbar. Sie ist bestenfalls unterstellbar und wird in Form eines Neo-Nationalsozialismus auch gerne unterstellt. Die FPÖ, die sich so wie die NPD "Soziale Heimatpartei" nennt, kokettiert in ihrer Öffentlichkeitsarbeit oft durchaus deutlich mit entsprechenden Bildern. Dass ein Mensch mit anderer politischer Orientierung dagegen in Opposition geht, ist selbstverständlich. Dass Linke dies trotz einer eindeutigen Gesetzeslage und Verfassung ständig bestätigen zu müssen, nährt den Populismus- und Selbstgefälligkeitsverdacht.

Was also ist die letzte Konsequenz eine Demonstration gegen Strache? Gegen die FPÖ. Gegen FPÖ-Wähler die pauschal in einen Topf geworfen werden, obwohl viele von ihnen zwischen SPÖ und FPÖ wechseln. Gegen Burschenschaftler die pauschal in einen Topf geworfen werden obwohl viele von ihnen der ÖVP nahestehen und weder mit der FPÖ noch mit der unterstellten faschistischen Ideologie etwas am Hut haben. Was will man mit all diesen Menschen machen, wenn man an der Macht wäre?

Teufelskreis der Selbstradikalisierung

Wer definiert, gegen etwas zu sein, läuft Gefahr, sich selbst zu radikalisieren und immer gewaltbereiter zu werden. Die Gegnerschaft erzeugt einen destruktiven Teufelskreis aus Überlegungen, wie man etwas abschaffen und beseitigen kann.

Dafür statt dagegen, um Perspektiven zu schaffen

Ich schlage keineswegs vor, Demonstrationen abzuschaffen - im Gegenteil. Wir sind das Volk, unsere Stimme muss in den selbstgefälligen Klüngeln der Macht gehört werden. Das Volk dabei sogar ein wenig zu fürchten, ist sicher kein Fehler. Aber wer an die Zukunft denkt, tritt vielleicht besser FÜR Dinge ein. Für greifbare Dinge. Es ist ein Anfang, beispielsweise für Gleichberechtigung und für Minderheitenrechte einzutreten. Allerdings sind dies auch Selbstverständlichkeiten und nicht immer klar definierte Ziele. Man läuft Gefahr, sich von platten Polit-Tricks täuschen zu lassen, wie der gebetsmühlenartigen Wiedergabe der ewig gleichen Stehsätze. Wie wäre es denn, für bessere Ausbildung auf die Straße zu gehen? Für gerechte Besteuerung anstelle Wirtschaft und Familien zu erdrücken?

Noch ein paar Gegenüberstellungen von möglichen Alternativen. Man mag kritisieren, dass das ja nur eine kleine Änderung der Wörter sind. Ich halte dagegen, dass die eine Variante nur den destruktiven Kampf zulässt, die andere Variante Perspektiven bietet und dazu einlädt, sich zu überlegen, wie diese Perspektiven konkret aussehen sollen.

Gegen Gewalt gegen Frauen
Besser? - Für eine Gesellschaft, in der alle Menschen vor Gewalt geschützt sind

Gegen Korruption
Besser? - Für Transparenz

Gegen Nazis
Besser? - Für Grundrechte und Demokratie

Gegen Studiengebühren
Besser? - Für gleiche und bestmögliche Bildungschancen für alle.